Theoretischer Hintergrund

Das Thema dieser Arbeit bezieht sich neben dem Spiel Civilization IV auch auf komplexe Systeme. Nachdem nun das Spiel vorgestellt worden ist, werden in diesem Kapitel Merkmale und Kennzeichen komplexer Systeme erläutert. Es gibt dabei eine Vielzahl an Modellen, Theorien und auch Studien zu komplexen Systemen, die aufgrund unterschiedlicher disziplinärer Blickwinkel verschiedene Herangehensweisen und Fragestellungen erkennen lassen[1]. Dabei ist zu beachten, dass noch keine Einigkeit darüber herrscht, ob es eine wissenschaftliche Theorie zur Komplexität gibt[2]. Hier soll sich auf gemeinsam herausgearbeitete Merkmale konzentriert werden, wobei aufgrund der Vielzahl an veröffentlichten Ansätzen kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden kann. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird sich dann auf die Forschungsergebnisse und Studien von Dietrich Dörner bezogen. Ein nicht unwesentlicher Teil seiner Forschung lag in der Beobachtung von Menschen bei computersimulierten Planspielen (z.B. Tanaland-, Lohhausen- oder Kühlhaus-Experiment[3]). Daher eignen sich seine Ausführungen zur Komplexitätsbewertung von Computerspielen. Auch andere Personen haben sich mit der Abbildung komplexer Systeme in Planspielen beschäftigt, allerdings lag die Motivation bei diesen Untersuchungen oft in der Vermittlung von bestimmten Inhalten mit Blick auf konkrete Lernfelder und weniger in der Analyse des Verhaltens in verschiedenen komplexen Situationen[4]. Zudem bildet die von Dörner selbst erarbeitete Kategorisierung seiner Beobachtungen und Erkenntnisse eine Grundlage, anhand dieser bestimmte Kriterien zur Verhaltensbeurteilung gebildet werden können. Vorab werden hier aber allgemeinen Merkmale komplexer Systeme dargestellt. Daran anschließend wird ein geeignetes Modell gefunden, mit dem es möglich sein soll, die unterschiedlichen Aspekte eines Computerspiels (Wirkung, Spielererleben, Spielerverhalten, etc.) beschreiben und einteilen zu können.

Komplexe Systeme: Definition

Was ist ein komplexes System? Der Einfachheit halber werden die beiden Worte einmal einzeln betrachtet: Der Duden definiert komplex wie folgt: „[…] vielschichtig; viele verschiedene Dinge umfassend: […] zusammengesetzt; nicht allein für sich auftretend, ineinandergreifend, nicht auflösbar: […]“[5]. Ein System wird als ein „[…] aus mehreren Teilen zusammengesetztes u. gegliedertes Ganzes […]“ beschrieben. Damit wird bereits recht gut beschrieben, was von verschiedenen Wissenschaftlern herausgearbeitet worden ist: Ein komplexes System ist gekennzeichnet durch sich gegenseitig beeinflussende (Einzel-)Bestandteile, die zusammen ein Ganzes ergeben. Dabei können auf den ersten Blick identisch erscheinende Systeme sehr unterschiedlich funktionieren, was eine immer wiederkehrende Neubeurteilung notwendig macht. Selbst bei der Betrachtung des gleichen Systems kann es sein, dass aufgrund der starken Vernetzung der einzelnen Komponenten Veränderungen nicht sofort wahrgenommen werden. Bei der Betrachtung eines solchen Systems ist es oft nicht möglich, ein ganzes Bild zu erhalten. Dies kann an falscher Einschätzung, aber auch an der unübersichtlichen Größe eines Systems liegen. Dadurch können Aktionen unvorhergesehene Wechselwirkungen innerhalb eines Systems verursachen[6]. Weiterhin kann es selbst bei vollständiger Systemkenntnis dazu kommen, dass die aktuelle Situation nicht beurteilt werden kann.

Die Beziehungen zwischen den Elementen in einem solchen System können unterschiedlicher Natur sein: Sie können aus positiven oder negativen Rückkoppelungen bestehen; sie können (nicht-)linear verlaufen; sie können vielschichtig sein und sie können sich im Laufe der Zeit verändern/erst entstehen[7]. Diese Merkmale machen die Beurteilung ebenfalls schwierig.

Ein weiteres wichtiges Element ist der Faktor Zeit: Dieser ist bei komplexen Systemen oft nur schwer richtig zu beurteilen, so dass die entstehende Dynamik für die Arbeit mit einem komplexen System eine besondere Herausforderung darstellt[8]. Gemeint ist hier nicht nur die Beurteilung, wie lange ein Prozess dauert, sondern auch, wie sich ein System in einem bestimmten Zeitraum verändern kann.

Zusammengefasst können folgende Merkmale komplexer Systeme festgestellt werden:

–       viele zueinander in Beziehung stehende Elemente

–       wechselseitige, nicht immer vorhersehbare Beeinflussung der Elemente

–       Form sowie Ausmaß der Beeinflussung nicht immer offensichtlich

–       kompletter Überblick nicht oder oft unzureichend vorhanden

–       Dynamik, dadurch Vorhersagbarkeit schwierig

Auf den nächsten beiden Seiten werden die Modelle nach Dörner und Fritz vorgestellt.


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[1] vgl. Frischknecht-Tobler/Kunz/Nagel 2008, S. 15ff
[2] vgl. Bandte 2006, S. 81
[3] vgl. Dörner 2009, S. 22ff, S. 32ff, S. 200ff
[4] vgl. u.a. Achtenhagen 1992, S. 143-157
[5] Duden 2006
[6] vgl. Frischknecht-Tobler/Kunz/Nagel 2008, S. 14f; vgl. Grimm 2009, S. 26-32
[7] vgl. Bandte 2007, S. 78 und S. 94; vgl. Grimm 2009, S. 32ff
[8] vgl. Frischknecht-Tobler/Kunz/Nagel 2008, S. 14f; vgl. Bandte, S. 95f


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